Viele Menschen fühlen sich im Angesicht der aktuellen Situation überfordert und fürchten den Verlust der Kontrolle über ihr Leben. Einige fürchten dies sogar mehr, als sie die Krankheit selbst fürchten. Die Krise bringt nicht in allen Menschen das Beste zum Vorschein. Doch erst durch die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen wurde mir bewusst, dass auch ich unter diesem Kontrollverlust gelitten- und wie ich das Problem für mich gelöst habe: Ich habe Masken genäht. Unmengen Masken. Für Freunde, Familie, Familie von Freunden, Arbeitskollegen, unseren lieben Paketboten, Nachbarn, unseren Automechaniker …
Zuerst hielt ich es für eine Art von hilflosem Aktionismus. Doch im Nachhinein betrachtet war es vielleicht meine Form der Therapie und eine Möglichkeit, ein Stück Kontrolle zurückgewinnen, auf produktivem Weg.
Natürlich bin ich keine Heilige. Einige der Masken habe ich bei eBay verkauft, schon allein, um die Ausgaben für Stoff, Strom, Nähnadeln und vor allem das überaus wertvolle, teuer gewordene und schwer zu beschaffene Gummiband auszugleichen. Reich geworden bin ich dadurch natürlich nicht, das war auch gar nicht das Ziel. Tatsächlich wollte ich die zu der Zeit enorme Nachfrage decken helfen und verhindern, dass die Menschen zu Wegwerfmasken greifen müssen. Niemals hätte ich mit den wundervollen Reaktionen dort gerechnet. Ein Käufer hat einfach so mehr Geld als nur den Kaufpreis überwiesen, als kleinen Zuschuss für die investierte Zeit. Ein anderer hat erst eine, dann noch einmal drei Masken bestellt und in einer Nachricht geschildert, wie zufrieden er mit Qualität und Schnitt sei. Und eine besonders liebe Käuferin hat mir sogar Fotos von sich mit der Maske geschickt, weil sie sich so darüber gefreut hat, dass ich extra für sie eine kleinere entworfen und genäht habe.
Ich weiß, ich wiederhole mich, aber ein Lächeln erkennt man immer an den Augen!
Die Nachbarin, die einfach so ein ganzes Paket (überaus wertvolles!) Gummiband in den Briefkasten wirft, der Paketbote, der trotz Zeitdruck berichtet, dass er von seinem Arbeitgeber keine Maske bekommen hat, die Arbeitskollegin, die nach Feierabend extra nochmal zurückkommt, um das passende Nähgarn zu bringen, und die Freunde, die sich über eine waschbare Maske freuen, all das sind Erfahrungen, für die ich dankbar bin und die ich ohne die Maskenpflicht niemals hätte machen dürfen.
Dankbar bin ich übrigens auch für eine merkliche Reduktion meiner Heuschnupfen-Symptome. Die Maske als Pollenfilter? Das sollte mal wissenschaftlich untersucht werden. Wenn das funktioniert, trage ich sie nächstes Frühjahr freiwillig!
Also: Wenn Sie nach der Beendigung der Maßnahmen eine Frau mit einer selbstgenähten Stoffmaske sehen, bin das vielleicht ich. Und dann denken Sie bitte daran:
Ein Lächeln erkennt man immer an den Augen!
Katja Segin lebt mit ihrem Mann in der Altstadt von Paderborn. Sie betätigt sich in verschiedenen Bereichen, doch mit Vorliebe literarisch.