Die diesjährige Jahrestagung des Kompetenzzentrums Soziale Interventionsforschung (KomSI) fand vom 5. bis 6. November 2020 statt und stand unter dem Motto „Der Komplexität sozialer Fragen kontrovers begegnen – Soziale Interventionsforschung im Diskurs“. In den international besetzten Panels wurden empirische Befunde zur Interventionsforschung in der Sozialen Arbeit sichtbar gemacht sowie Fragen zu Methodik und Theoriebildung miteinander diskutiert.
Im Panel “Methoden der Interventionsforschung“ gab Johannes Mertens Einblicke in theoretische und methodologische Bezüge im Rahmen des partizipativen Transferforschungsprojekts Versorgungsbrücken statt Versorgungslücken. Johannes Mertens ist Transferreferent und Lehrbeauftragter an der Abteilung Aachen der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (KatHO NRW). Das Pilotprojekt des Transfernetzwerks Soziale Innovation – s_inn läuft zurzeit (2019-2022) mit insgesamt drei Transferinitiativen an den Standorten Aachen (Leitung Prof. Dr. Krockauer) und Paderborn (Leitung Prof. Feeser-Lichterfeld). Die Transferinitiative Aachen besteht aus einem interdisziplinären Team der KatHO NRW, Abt. Aachen und des Caritasverbandes für das Bistum Aachen.
In sechs Organisationen der multidisziplinären palliativen Sorgearbeit am Lebensende, in ambulanten und (teil-) stationären Alten- und Pflegeeinrichtungen, Hospizen sowie Einrichtungen der Eingliederungshilfe, werden organisationsinterne Teilprojekte partizipativ entwickelt und mit übergreifenden Keyholder-Treffen und Workshops, öffentlichen Kolloquien sowie einer im Januar 2021 startenden Interviewstudie mit dem Titel “Spiritualität zu Corona Zeiten“, miteinander verbunden. Dieser partizipative Transferlernprozess versucht als wohltemperierte Innovation in der Mitte der jeweiligen Organisation anzusetzen und aus dieser Mitte heraus eine nachhaltige Selbstorganisation zu begünstigen. Idealerweise geschieht dies als Kultivierung einer Störung der 2. Ordnung, die es den Organisationen ermöglicht, sowohl über ihre Identität als auch Varietät nachzudenken.
Mit dem Vortragstitel “Spiritualität und Transferlernen in Care-Laboren als organisationale Heterotopien“ skizzierte Mertens einen Zugang zu den Themenfeldern Transferlernen, soziale Innovationen und Spiritualität. Mertens orientierte sich dabei an den in den bisherigen Initial- und Entwicklungsphasen des Projekts entstandenen Prototypen organisationaler Transferlernformate, die unter dem Neologismus “Care-Labore“ zusammengeführt werden. Entlang des Begriffstableaus um Michel Foucaults Arbeiten der Pastoralmacht, Gouvernementalität sowie der transformativen Ethik, stieg Mertens in seinen Zugängen zu den zentralen Themen im partizipativen Trialog zwischen Forschenden, Praxisorganisationen und -teams sowie Betroffenen ein. Neben der Operationalisierung einer offenen, demokratischen Begrifflichkeit klinischer Spiritualität, wurde die Verbindung zum Thema des Transferlernens über ein systemtheoretisches Verständnis hergeleitet. Hier sei generell, so Mertens, zunächst recht nüchtern zu verzeichnen, dass sich (Transfer)Lernen für Organisationen häufig nicht lohne und soziale Innovationen entweder kleinschrittig oder sehr selten ablaufen. Das Bestreben der Care-Labore im Projekt ist also eine praktische Bewährung der angestoßenen Selbstorganisationen, damit sie langfristig einen Unterschied machen. In den je nach Organisation unterschiedlich gestalteten Care-Laboren sind wir Teil eines Prozesses, den wir während der Intervention – als experimentelle und partizipative Auftragsstellung und Lösungsfindung – miterstellen, so Mertens.
Trotz massiver Auswirkungen der gesellschaftlichen Pandemie und entsprechenden Herausforderungen und Veränderungen im Handlungsfeld, gibt es im Projekt keine Abbrüche, sondern vielmehr responsive Umbrüche und Neujustierungen zu verzeichnen – und das anhand einer nochmals mehr ins Zentrum gerückten Grundthematik.
Johannes Mertens, ist Redaktionsmitglied von Care-Lichtblicke, wohnt in Aachen und arbeitet dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Katholischen Hochschule NRW.