Woran denken Sie, wenn jemand von einer heilsamen oder heilvollen Begegnung spricht?
Das Internet schlägt folgende Äquivalente zum Terminus „Heil“ vor: Gesundheit, Unversehrtheit, Unfallfreiheit, Erfolg und Ganzheit. Aber sind es wirklich ausschließlich jene Attribute, die eine heilsame Begegnung ausmachen? Und: Was bedeutet überhaupt Gesundheit?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellte im Jahr 1946 folgende Definition dafür auf: „Die Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“1 Ist eine heilsame Begegnung also lediglich eine, bei der ein (utopischer) Zustand vollkommener Gesundheit herbeigeführt wird? Oder können potenziell nicht gerade auch all diejenigen Begegnungen heilvoll sein, in denen es primär gar nicht darum geht zu „heilen“?
Ich denke dabei zum Beispiel an die fünf Minuten, in denen sich eine Pflegekraft trotz ihres straffen Zeitplans einen Moment dafür nimmt, der Patientin zuzuhören und ihr trotz ihrer Krankheit Mut zuzusprechen. Ich denke dabei an Begegnungen und die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen, bei denen es eben nicht darum geht und gehen kann, die Menschen von ihren geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen zu „heilen“, sondern vielmehr Momente des Glücks, in denen ein Stück „Leben in Fülle“ greifbar wird, wie auch immer diese aussehen mögen, zu ermöglichen. Ist es nicht „heilsamer“, dem unheilbar kranken und sterbenden Menschen die Hand zu halten und für ihn da zu sein, als weiterhin mit allen Mitteln zu versuchen, ihn am Leben zu halten?
Heilsame Begegnungen kann man nicht an bestimmten Attributen festmachen, sie geschehen im zwischenmenschlichen Erleben des Anderen und sind daher an die subjektive Wahrnehmung eines oder einer jeden Einzelnen gebunden.
Welche Begegnungen erleben Sie als heilsam?
Bild/Quelle: Nathan Anderson on Unsplash
1 WHO: Verfassung der Weltgesundheitsorganisation. Präambel: https://fedlex.data.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/cc/1948/1015_1002_976/20200706/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-cc-1948-1015_1002_976-20200706-de-pdf-a.pdf S. 1, [online letzter Zugriff: 12.05.2022].
Matthias Hartl ist tätig als Wissenschaftliche Hilfskraft im Pilotprojekt “Versorgungsbrücken statt Versorgungslücken”.