Der Krieg in der Ukraine hat bislang mehr als fünf Millionen Menschen dazu gezwungen, aus ihrem Land zu fliehen – mehr als 600.000 von ihnen haben bisher auf der Suche nach Zuflucht, Beistand und Unterstützung in Deutschland erreicht. Neben dieser Herausforderung hat unsere Gesellschaft zuweilen auch noch immer mit den schweren Folgen der Covid-19-Pandemie zu kämpfen. Durch sie wurden viele Missstände unserer Zeit verstärkt wie bspw. soziale Ungleichheit, Einsamkeit, Armut, Wohnungslosigkeit und vieles mehr. Die Pandemie deckt(e) schonungslos diese Probleme auf und konfrontiert(e) uns mit einer neuen Dimension von Not und Leid.
Inmitten dieser gesellschaftlichen Situation befindet sich die katholische Kirche in Deutschland. Neben einer massiven Glaubwürdigkeitskrise, verbunden mit anhaltenden Verlusten an Mitgliedern, scheint sie auch in sich gespalten zu sein, kämpft mit der Frage nach der eigenen Identität und mit (und teils gegen?) sich selbst.
Von einer durch Skandale ausgelösten Krise wie bei der katholischen Kirche blieb die Caritas bisher eher verschont, auch wenn auch sie sich die Frage nach dem eigenen Kern und Auftrag längst stellt. In der gesellschaftlichen Wahrnehmung wird offensichtlich oftmals weniger ihre Verbundenheit mit der Institution Kirche gesehen als vielmehr ihr konkreter diakonischer Einsatz und Wirken in der Gesellschaft.
Doch wie sinnvoll ist diese Separierung? Wäre es nicht gerade in krisenbehafteten Zeiten besser, Synergieeffekte zu nutzen und von- und miteinander zu lernen?
Die diakonische Profilierung der katholischen Kirche versteht sich im Miteinander von Caritas und Pastoral: „Caritas hat Zukunft und die Kirche mit ihr, wenn sie sich im wahrsten Sinne des Wortes caritativ verstehen und ausrichten. Das heißt: Liebe und Barmherzigkeit müssen deren Gesicht nach innen und nach außen sein.“1
Orte und Beziehungen, an denen diese Liebe und Barmherzigkeit möglich und notwendig werden können, sind oft Orte und Beziehungen des Alltags: der Bahnhof, die Familie, die eigene Wohnung, das Senior_innenheim etc. Fragwürdig ist daher, weshalb oft erst die „großen Krisen“ der Menschheit caritativ-diakonisches Engagement auslösen, verstehen sich doch solche „Orte der Not“ als Prüfsteine für alle Christ_innen, an denen sich zeigt, woran sie glauben und wofür sie (ein-)stehen.
Diakonisches Handeln sollte nie dem Selbstzweck bzw. der Selbsterhaltung der Kirche dienen, sondern einzig und allein dem bedürftigen Menschen. Diese „echten Nöte“ können nur dann erkannt und angegangen werden, wenn Kirche (auch) mitten unter den Menschen ist.
In diesem Dienst an und mit den Menschen zeigt sich die Echtheit des christlichen Glaubens. Neben der konkreten pflegerischen, sozialen und praktischen Hilfe geht es der Kirche um das ganzheitliche Wohlbehalten des Menschen. In jedem hinwendenden Dienst an den seelischen, sozialen oder materiellen Nöten der Menschen dient sie ihrem Vorbild Jesus selbst und führt sein Wirken heute fort.
Und so ist auch jede_r Christ_in selbst dazu aufgefordert, in eigenen Kräften und Begabungen diakonisch zu handeln – um die Welt zu einem „besseren Ort“ zu machen. Darin findet die Caritas – und die Kirche mit ihr – ihre Zukunft.
Bild/Quelle: Josh Calabrese on Unsplash
1 NASS, Elmar / ETHEBER, Alfred: Solidarität und Barmherzigkeit. Zukunft der Caritas – Zukunft der Kirche, in: Herder Korrespondenz Spezial. Delegierte Nächstenliebe. Die Kirche und ihre Caritas (2022), S. 51-53.
David Gorny ist Redaktionsmitglied von Care Lichtblicke und an der Katholischen Hochschule NRW als studentischer Mitarbeiter tätig.